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Verfassungswidrigkeit der Quersubventionierung von öffentlichen Aufgaben durch überhöhte Energiepreise Übersicht 1. Verdeckte Gewinnausschüttung durch Quersubventionierung 1.1 BFH zur Steuerpflichtigkeit von Dauerverlusten kommunaler Eigenbetriebe 1.2 Nichtanwendungserlass IV B 7 – S 2706/07/0011 1.3 Geplante Änderung des Körperschaftssteuergesetzes in 2008 2. Verfassungswidrigkeit der Quersubventionierung 2.1 Verfassungswidrigkeit von Nichtanwendungserlassen im Allgemeinen 2.1.1 Bindung der Verwaltung durch das Gewaltenteilungsprinzip 2.1.2 Beeinträchtigung der Rechtssicherheit 2.1.3 Beeinträchtigung der gleichmäßigen Rechtsanwendung 2.2 Verfassungswidrigkeit von Schattenhaushalten 2.3 Verfassungswidrigkeit überhöhter Energiepreise im Besonderen 3. Fazit 3.1 Aufgabe der städtischen Finanzverwaltung und der Steuerbehörden 3.2 Aufgabe der Landtage 3.3 Aufgabe des Bundestages 3.4 Aufgabe der Stadträte 3.5 Aufgabe der Staatsanwaltschaft 1. Verdeckte Gewinnausschüttung durch Quersubventionierung
Zahlreiche Stadtwerke finanzieren mit hohen Überschüssen aus dem Verkauf von Energie und Trinkwasser wichtige öffentliche Aufgaben wie z. B. den öffentlichen Personennahverkehr, Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen. All diese öffentlichen Aufgaben zeichnen sich durch ihre Unwirtschaftlichkeit aus, sie führen dauerhaft über Jahre und Jahrzehnte zu erheblichen Verlusten in Millionenhöhe. Gegen eine Subventionierung dieser Aufgaben mit öffentlichen Mitteln ist so lange nichts einzuwenden, wie das in einem demokratisch legitimierten Verfahren in einem dafür vorgesehenen Gremium wie z. B. im Stadtrat, im Landtag oder im Bundestag so entschieden wird. Wie aber ist die Quersubventionierung öffentlicher Aufgaben durch überhöhte Energiepreise zu beurteilen? Die Frage soll im Folgenden aus steuerrechtlicher, kommunalpolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht beantwortet werden. 1.1 BFH zur Steuerpflichtigkeit von Dauerverlusten kommunaler Eigenbetriebe
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit der sogenannten kommunalen Querfinanzierung von Gewinn- und Verlustbetrieben (dem sogenannten steuerlichen Querverbund) bereits mehrfach befasst, zuletzt in seinem Urteil vom 22.8.2007 unter Aktenzeichen I R 32/06, im Internet unter http://www.bundesfinanzhof.de/www/entscheidungen/2007.10.24/1R3206.html. Schon die Überschrift der zugehörigen Pressemitteilung „Dauerverluste kommunaler Eigenbetriebe sind steuerpflichtig“ ist eindeutig, siehe Pressemitteilung Nummer 93 im Jahr 2007 unter http://www.bundesfinanzhof.de/www/index.html. Die Leitsätze 3 und 4 der BFH-Entscheidung I R 32/06 vom 22.8.2007 lauten: 3. Das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären kommunalen Eigenbetriebes in der Rechtsform einer GmbH (hier: das Unterhalten eines Bäderbetriebs) ohne Verlustaus-gleich und ggf. ohne angemessenen Gewinnaufschlag durch die Gesellschafterin (Träger-körperschaft) führt regelmäßig zur Annahme einer vGA (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. Juli 2004 I R 9/03, BFHE 207, 142). 4. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Organgesellschaft darf den Gesellschaftern auch dann keine Vermögensvorteile zuwenden, wenn seine Handlungs-weise für den Organträger von Vorteil wäre. Der Vorteilsausgleich muss sich zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter vollziehen (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. August 1984 I R 99/80, BFHE 142, 123, BStBl II 1985, 18).
In der Begründung zu dem BFH-Urteil I R 32/06 heißt es in Abschnitt II. Punkt 2: Es kann eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorliegen, „wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschäfte tätigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten führen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzun-gen sind danach die von der Gesellschaft erzielten Verluste außerbilanziell um die angefalle-nen Verlustbeträge sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich prinzipiell auch die Eigengesellschaft einer Gemeinde messen lassen muss, würde nicht bereit sein, eine fort-dauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich ihrem Gesell-schafter --wie im Urteilsfall der Stadt (vgl. auch z.B. Senatsurteil vom 27. Juni 2001 I R 82-85/00, BFHE 195, 572, BStBl II 2001, 773 bezogen auf einen nichtselbständigen Betrieb gewerblicher Art)-- obliegen. Im Ausgangspunkt dieser Überlegungen steht die Erkenntnis, dass Kapitalgesellschaften über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen und dass deswegen verlustbringende Aktivitäten, die die Kapitalgesellschaft in gesellschaftsrechtlicher (Mit-) Veranlassung unternimmt, unter den Voraussetzungen einer ertragsteuerrechtlichen sog. Liebhaberei eine vGA der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter auslösen.“ Die Übernahme der Dauerverluste bei Kommunalversorgern ist als verdeckte Gewinnaus-schüttung zu qualifizieren und als vorweggenommene Gewinnabführung des Kommunalver-sorgers an die Stadt als Eigentümer zu verstehen. Der Verlust des Kommunalversorgers durch den Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs oder durch den Betrieb von Schwimmbädern wird in der Praxis im Allgemeinen nicht durch die Kommune als Allein- oder Mehrheitsgesellschafte-rin monetär ausgeglichen. „Auf einen derartigen (schuldrechtlichen) Ausgleich würde ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht verzichten. Ein solcher wäre nach Lage der Dinge nicht bereit, Leistungen zu erbringen, die an sich dem (unmittelbaren oder mittelbaren) Alleingesellschafter obliegen, und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen“, führt der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 22.8.2007 unter Abschnitt II Punkt 4. b) bb) aus. Der Kommune als Alleingesellschafterin des Kommunalunternehmens entsteht objektiv ein zurechenbarer (materieller) Vorteil im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997. Wenn der öffentliche Personennahverkehr oder der Betrieb von Schwimmbädern von einer Stadt „auf Eigenbetriebe in Gestalt selbständiger Kapitalgesellschaften ausgelagert werden, dann müssen sich diese Gesellschaften allgemeinen, auch den steuerrechtlichen Grundsätzen unterwerfen“, verlangt der Bundesfinanzhof in Abschnitt II Punkt 4 b) cc) aaa) seiner Urteils-begründung. 1.2 Nichtanwendungserlass IV B 7 – S 2706/07/0011
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 7.12.2007 im Hinblick auf das BFH-Urteil I R 32/06 einen sogenannten Nichtanwendungserlass an die obersten Finanzbehörden der Länder verschickt. In dem Schreiben mit Geschäftszeichen IV B 7 – S 2706/07/0011 verfügt das BMF, dass das Urteil nur für den vom BFH entschiedenen Einzelfall gilt. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 22.8.2007 seien dagegen nicht allgemein anzuwenden. Laut BMF ist das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nach Regelung R7 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004 „nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen“. Wichtig für die Beurteilung des Nichtanwendungserlasses ist, dass er keinerlei Begründung für die Weisung des BMF enthält. Das Schreiben des BMF geht auch nicht auf die Tatsache ein, dass der BFH mit dem Urteil vom 22.8.2007 seine frühere Rechtsprechung vom 14. Juli 2004 mit dem Senatsurteil I R 9/03 bestätigt, obwohl das sogar schon den Leitsätzen des BFH-Urteils zu entnehmen ist. D. h. der Nichtanwendungserlass IV B 7 – S 2706/07/0011 setzt ein bereits vom BFH überprüftes BFH-Urteil außer Kraft und wendet die nunmehr gefestigte Rechtsprechung nicht auf Parallelfälle an. Allein der Vergleich des Nichtanwendungserlasses mit dem BFH-Urteil hinsichtlich seiner Länge sagt viel über seinen fehlenden Inhalt:
1.3 Geplante Änderung des Körperschaftssteuergesetzes in 2008
Am 18.6.2008 hat die Bundesregierung das Jahressteuergesetz 2009 beschlossen. Als wichti-gen Punkt des Regierungsentwurfs hebt das Bundesfinanzministerium hervor (siehe dazu den Überblick zum Jahressteuergesetz 2009 beim Bundesfinanzministerium unter http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/Wirtschaft__und_ _Verwaltung/Steuern/Steuerreform/005__jahressteuergesetz__kabinett.html?__nnn=true): Wirtschaftliche Tätigkeiten der öffentlichen Hand: Die seit langer Zeit bestehende Verwal-tungspraxis bei der steuerlichen Behandlung im Bereich der Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand (sog. steuerlicher Querverbund) wird gesetzlich festgeschrieben. Damit wird entspre-chenden Forderungen der Kommunen nachgekommen. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs im vergangenen Jahr hatte die bestehende Praxis in Frage gestellt. Praktisch heißt das, dass es weiterhin zulässig ist, die Ergebnisse aus defizitären Bereichen (z.B. öffentlicher Personen-nahverkehr) mit den Ergebnissen aus gewinnträchtigen Bereichen (z.B. Energieversorgung) zu verrechnen.
Dazu soll das Körperschaftssteuergesetz in § 8 wie folgt angepasst werden, siehe Seite 31 des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 2009: „§ 8 Abs. 7 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom … (BGBl. I S. … [Einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes]) ist auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 anzuwenden. Ist im Einzelfall vor dem … [Einsetzen: Tag des Kabinettbeschlusses des vorliegenden Änderungsgesetzes] bei der Einkommensermittlung nach anderen Grundsätzen als nach § 8 Abs. 7 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom … (BGBl. I S. … [Einsetzen: Ausfertigungsdatum und Seitenzahl der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes]) verfahren worden, so sind diese Grundsätze insoweit letztmals für den Veranlagungszeitraum 2011 maßgebend. Satz 5 ist für Veranlagungszeiträume vor 2012 ab dem Veranlagungszeitraum nicht mehr anzuwenden, in dem die Mehrheit der Stimmrechte nicht mehr unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt oder auch andere als diese Gesellschafter zum Ausgleich der Verluste aus den Dauerverlustgeschäften verpflichtet sind.“
Diese Gesetzesänderung begründet das Bundeskabinett auf Seite 114/115 seines Regierungsentwurfs wie folgt: „In § 8 Abs. 7 KStG werden - aus Gründen der Rechtssicherheit - die bisher allgemein anerkannten Grundsätze bei der Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung) bei Eigengesellschaften und Betrieben gewerblicher Art und der sich in Folge dieser Anwendung im Einzelfall ergebenden Möglichkeit der Ergebnisverrechnung festgeschrieben. Es liegt damit keine Rechtsänderung vor. Folglich sieht die Anwendungsregelung zu § 8 Abs. 7 KStG vor, dass er auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 anzuwenden ist. Mit dem Inkrafttreten der Regelung in § 8 Abs. 7 KStG (und dessen Anwendung auch für vergangene Veranlagungszeiträume) verliert das BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2007 (BStBl I S. 905) seine Gültigkeit. Diese Schreiben befristet die Verwaltungsanweisungen zur partiellen Nichtanwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 22. August 2007 (BStBl II S. 961) über den entschiedenen Einzelfall hinaus bis zu einer gesetzlichen Regelung der Problematik. Diese Regelung enthält § 8 Abs. 7 KStG. Sollte im Einzelfall gleichwohl bei der Einkommensermittlung eines Betriebs gewerblicher Art oder einer Eigengesellschaft abweichend von den Grundsätzen des § 8 Abs. 7 KStG verfahren worden sein, sind diese Grundsätze übergangsweise bis zum Veranlagungszeitraum 2011 weiter anzuwenden. Bei den hiervon begünstigten Eigengesellschaften setzt dies aber voraus, dass die Verhältnisse hinsichtlich der Stimmrechtsverteilung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Gesellschaften bzw. der Regeln zur Gewinnverwendung innerhalb der Übergangszeit den Vorgaben des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG entsprechen.“ (Quelle: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4328/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Steuern/Steuerreform/ 005__Jahressteuergesetz__kabinett__anl,templateId=raw,property=publicationFile.pdf 2. Verfassungswidrigkeit der Quersubventionierung 2.1 Verfassungswidrigkeit von Nichtanwendungserlassen im Allgemeinen
Der Präsident des Bundesfinanzhofes, Dr. h.c. Wolfgang Spindler, sah sich im vorigen Jahr veranlasst, einen umfangreichen Artikel mit dem Titel „Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht“ zu verfassen. Der Artikel erschien in Heft 25 der Zeitschrift Deutsches Steuer-recht (DStR) 2007 auf den Seiten 1061 – 1066. Aus den Begründungen der Nichtanwen-dungserlasse gewinnt Wolfgang Spindler „zunehmend den Eindruck, dass die Finanz-verwaltung Rechtsprechungsergebnisse im Einzelfall rechtlich nicht akzeptiert, sondern ihre eigene Rechtsauffassung anstelle derjenigen des BFH setzt“. Seine Klage über die derzeitige Praxis der Nichtanwendungserlasse begründet der BFH-Präsident mit drei gewichtigen Argumenten, die im Folgenden näher ausgeführt werden:
Nach Auffassung des BFH-Präsidenten ist die Verwaltung durch das Gewaltenteilungsprinzip grundsätzlich an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Wolfgang Spindler führt dazu aus: „Dieses in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerte Prinzip dient als Kernelement des Verfassungs- und Rechtsstaats zum einen der Verhinderung einer Machtkonzentration, zum anderen aber auch dem Zweck, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“. Dementspre-chend weist das Gewaltenteilungsprinzip den drei Gewalten die durch das Grundgesetz übertragenen Aufgabenbereiche zu und gebietet eine durch das Prinzip des gegenseitigen Respektes getragene Loyalitätspflicht. Hieraus folgt zum einen das an die jeweilige Gewalt gerichtete Verbot, in den Kernbereich einer anderen Gewalt einzugreifen, zum anderen die wechselseitige Bindung an die Akte der jeweils anderen Gewalt. Aus der so gestalteten Loya-litätspflicht i. S. des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich eine Bindungswirkung von Entschei-dungen des BFH für die Finanzverwaltung nach Maßgabe folgender Grundsätze:
Die Finanzverwaltung hat rechtskräftige Entscheidungen des BFH nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich auch auf Parallelfälle anzuwenden. Dies folgt aus der spezifischen Aufgabenstellung des BFH, dem als Revisionsinstanz die Aufgabe der letztverantwortlichen, einfachrechtlichen Auslegung von Steuergesetzen sowie auch der Fortbildung des Rechts obliegt. Dies spiegelt sich neben der Funktionszuweisung in Art. 95 Abs. 1 GG auch in den verfahrensrechtlichen Regelungen der Finanzgerichtsordnung wieder, wonach die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO außer bei Verfahrensfehlern nur zulässig ist bei grundsätzlicher Bedeutung, Fortbildung des Rechts und zwecks Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung. Mit der sich aus der Loyalitätspflicht ergebenden grundsätzlichen Bindungswirkung von Entscheidungen des BFH über den Einzelfall hinaus korrespondiert das Verbot für die Verwaltung, in den Kernbereich der höchstrichterlichen Rechtsprechung einzugreifen.“ Nach dem Grundgesetz ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Teil der Finanz-verwaltung, also ein Teil der Exekutive. Die Verwaltung ist neben Gesetzgebung und Recht-sprechung nur eine der drei Säulen der Gewaltenteilung staatlicher Macht in Exekutive, Legis-lative und Judikative. Es gehört zum Rechtsstaat, dass das BMF Gesetz und Rechtsprechung befolgt. Das BMF muss die Leitlinien des Gesetzgebers und der Rechtsprechung umsetzen, wie es das Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 3 fordert. Wenn dem BMF die Rechtsprechung z. B. des BFH nicht gefällt, dann kann das Ministerium mit der Bundesregierung im Parlament die Gesetze ändern. Die Gesetzesänderung wird nach klaren, kontrollierbaren Regeln in der Öffentlichkeit vollzogen. Mit dem Parlament handelt aber der dafür legitimierte Gesetzgeber und nicht die Verwaltung. Ergebnis ist ein Gesetz, ein Nichtanwendungsgesetz, das in der Folge die Rechtsprechung bindet. Ein solches Gesetz wäre das Jahressteuergesetz 2009 mit der bereits beschriebenen Änderung von § 8 Abs. 7 des Körperschaftssteuergesetzes.
Die Nichtanwendung von Entscheidungen des BFH ist laut Wolfgang Spindler in jedem Einzelfall auf nachvollziehbare Art und Weise zu begründen. Wenn die Finanzverwaltung von der Position des BFH abweicht, dann muss sie dies mit Argumenten tun, die vom BFH nicht behandelt wurden. Fehlt eine Begründung, ist der Nichtanwendungserlass rechtswidrig. Das betonen Prof. Dr. Wolfgang Kessler und Rolf Eicke in ihrem Beitrag „Warten auf den Wandel – Staatshaftung für Nichtanwendungserlasse im Steuerrecht“, DStR 2006 Heft 43, auf Seite 1914 und geben wie auch der BFH-Präsident mehrere Quellen dazu an. In dem konkreten Einzelfall des Nichtanwendungserlasses IV B 7 – S 2706/07/0011 ist festzu-stellen, dass der Erlass überhaupt nicht begründet wird und allein deshalb als rechtswidrig zu gelten hat. In der Form der Anweisung IV B 7 – S 2706/07/0011 stören Nichtanwendungs-erlasse ganz offensichtlich das Gleichgewicht der Gewalten, das in Artikel 20 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes verankert ist. Nichtanwendungserlasse stellen die Funktionsfähigkeit der staatlichen Ordnung in Frage. 2.1.2 Beeinträchtigung der Rechtssicherheit
Laut Wolfgang Spindler beeinträchtigt ein Nichtanwendungserlass die Rechtssicherheit. Denn der einzelne Steuerpflichtige „kann nicht darauf vertrauen, dass die einschlägige Rechtspre-chung des BFH in seinem konkreten Fall zur Anwendung gelangt.“ Angesichts der weltweit einmalig hohen Komplexität verliert das deutsche Steuerrecht durch die Nichtanwendungser-lasse an Übersichtlichkeit und Transparenz. Die Verunsicherung der Steuerpflichtigen erzeugt nach den Worten des BFH-Präsidenten „Vertrauensverlust“ und „Staatsverdrossenheit“, vgl. Seite 1065 in dem bereits mehrfach zitierten Artikel Spindlers. 2.1.3 Beeinträchtigung der gleichmäßigen Rechtsanwendung
Der BFH-Präsident sieht in dem Artikel „Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht“ als Folge der Nichtanwendungserlasse eine Beeinträchtigung der gleichmäßigen Rechtsanwen-dung. Wolfgang Spindler schreibt: „Darüber hinaus beeinträchtigt der Nichtanwendungs-erlass auch die gleichmäßige Rechtsanwendung im Steuerrecht. Die sog. Rechtsanwendungs-gleichheit leitet das BVerfG als zwingendes Gebot aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG her; ihrer Umsetzung dient auch die Rechtsprechung des BFH, dem als Revisionsgericht u. a. die Aufgabe zukommt, eine Rechtseinheitlichkeit zu wahren (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO).“ Im Ergebnis wird durch die Nichtanwendungserlasse „derjenige Steuerpflichtige, der den betreffenden Steuerbescheid widerspruchslos hinnimmt, steuerrechtlich anders behandelt als derjenige, der den Weg zu den Finanzgerichten beschreitet.“ Im Falle der Quersubventionierung von öffentlichen Aufgaben wie des Personennahverkehrs durch überhöhte Energiepreise wird der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes dadurch verletzt, dass andere nichtstaatliche Unternehmen steuerlich anders veranlagt werden, wenn sie dauerhafte Verlustgeschäfte betreiben. Z. B. bringen die Finanzbehörden bei der Besteuerung von Freiberuflern oder Gewerbetreibenden für Tätigkeiten mit dauerhaften Verlusten häufig den Begriff der Liebhaberei ins Spiel, und es wird seitens der Finanzämter fehlende Gewinnerzielungsabsicht unterstellt. Dann lassen sich die Verluste nicht steuermin-dernd mit Gewinnen anderer Geschäfte oder Einkunftsarten verrechnen. Im Hinblick auf die Quersubventionierung des öffentlichen Nahverkehrs und öffentlicher Schwimmbäder besitzt der in Abschnitt 1.3 beschriebene Regierungsentwurf zum Jahressteu-ergesetz 2009 keine Rechtskraft. So lange das Jahressteuergesetz 2009 mit der Änderung von § 8 Abs. 7 des Körperschaftssteuergesetzes nicht von den zuständigen Parlamenten verab-schiedet wurde, existiert rechtlich nur der Nichtanwendungserlass IV B 7 – S 2706/07/0011. Und dieser Nichtanwendungserlass kann die gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanz-hofes zur kommunalen Querfinanzierung nicht außer Kraft setzen. 2.2 Verfassungswidrigkeit von Schattenhaushalten
Nach den Kommunalgesetzen besitzen die von den Bürgern gewählten Stadt- und Gemeinde-parlamente die Haushaltshoheit. Durch die Überwälzung öffentlicher Aufgaben auf den Kommunalbetrieb und vor allem durch die Finanzierung öffentlicher Aufgaben durch die Stadtwerke entsteht jedoch ein regelrechter Schattenhaushalt. Der öffentliche Haushalt der Stadt verliert in kommunalpolitischer Hinsicht seine Aussagekraft, wenn es wesentliche Aufgaben z. B. im öffentlichen Personennahverkehr, im Betrieb von Schwimmbädern, im Unterhalt von Schulen oder in der Kulturförderung gibt, die außerhalb des städtischen Haushaltes erbracht und finanziert werden. Die Gesellschaftsform der Kommunalunternehmen sind meist Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, also Rechts-formen des Privatrechtes. In diesen privatrechtlichen Gesellschaften agieren die Geschäftsleiter und Aufsichtsräte hinter verschlossenen Türen, während Sitzungen eines Stadtparlaments grundsätzlich öffentlich sind, siehe im Detail in den länderspezifischen Gemeindeordnungen.
Die nicht von den Bürgern gewählten Geschäftsleiter der Stadtwerke nehmen für sich das Recht in Anspruch, entgegen allen gesetzlichen Vorgaben und entgegen allen demokratischen Grundprinzipien durch überhöhte Energiepreise u. a. Millionen an Gewinnen für den städti-schen Haushalt zu erwirtschaften und die riesigen Defizite z. B. im Personennahverkehr zu decken. Das ist völlig inakzeptabel, denn:
2.3 Verfassungswidrigkeit überhöhter Energiepreise im Besonderen
Das Bundesverfassungsgericht hat sich 1994 mit dem sogenannten Kohlepfennig beschäftigt. Der Kohlepfennig war ein Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunter-nehmen in Deutschland, den die Verbraucher der alten Bundesländer von 1974 bis 1995 zu entrichten hatten. Ziel war die Finanzierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland, der ohne den Kohlepfennig gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig gewesen wäre. Die Subven-tionierung des deutschen Steinkohlebergbaus war nach Ansicht des Gesetzgebers aus energie-, sozial- und regionalpolitischen Gründen erforderlich. Am 11. Oktober 1994 entschied der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts jedoch, dass der Kohlepfennig verfassungswidrig ist. Das Verfassungsgerichtsurteil vom 11. Oktober 1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 findet sich z. B. unter http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html. Seit dem 1.1.1996 wird der Steinkohleabbau aus dem Staatshaushalt subventioniert. Die beiden Leitsätze des Urteils vom 11.10.1994 lauten: 1. Um die bundesstaatliche Finanzverfassung wie auch die Budgethoheit des Parlaments vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes der Steuer-pflichtigen im Blick auf die Belastungsgleichheit Rechnung zu tragen, ist eine Sonder-abgabe nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig; sie muß deshalb eine seltene Ausnahme bleiben. 2. Die Ausgleichsabgabe nach § 8 Drittes Verstromungsgesetz (sog. Kohlepfennig) ist nicht als Sonderabgabe zu rechtfertigen, weil sie eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft, den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.
In der Begründung des Urteils stellt das Bundesverfassungsgericht in Abschnitt C I 1 fest (Fettdruck nachträglich hinzugefügt): „Die Finanzverfassung des Grundgesetzes geht davon aus, daß Gemeinlasten aus Steuern finanziert werden. … Sie versagt es dem Gesetzgeber, selbst unter Inanspruchnahme von Sachkompetenzen, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanz-bedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden.“ „Das Steueraufkommen ist gemäß Art. 110 Abs. 1 GG ausnahmslos als Einnahme in den Haushaltsplan einzustellen. Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans hat seinen Sinn nicht nur in dessen finanzwirtschaftlicher Funktion und in dem Umstand, daß das Haushaltsbewilligungsrecht eines der wesentlichen Instrumente der parla-mentarischen Regierungskontrolle ist; er aktualisiert auch den fundamentalen Grundsatz der Gleichheit der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten. Dieser Grundsatz zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Nur dadurch ist gewährleistet, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvo-lumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält, soweit sie der Verantwortung des Parlaments unterliegen. Nur so können Einnahmen und Ausgaben voll-ständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unter-worfen werden. Demgemäß ist der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert.“
In Abschnitt C II 2 der Begründung zum Urteil vom 11.10.1994 stellt das Bundesverfassungs-gericht im Hinblick auf die Abgabe des Kohlepfennigs fest: „Die mit der Abgabe belasteten Stromverbraucher bilden eine den Trägern von Verbrauchsteuern ähnliche Allgemeinheit von Betroffenen, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Kohle-verstromung trifft. … Die Sicherstellung der Strom- oder Energieversorgung aber ist ein Interesse der Allgemeinheit, das deshalb als Gemeinlast - durch Steuer - finanziert werden muß. … Die Befriedigung eines solchen Interesses ist eine Gemeinwohlaufgabe des Parla-ments, das Finanzierungsinstrument die Gemeinlast der Steuern.“ Nach § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Nun mögen die Finanzbehörden und die Kommunalverwaltung ein-wenden, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes beziehe sich ausschließlich auf den Kohlepfennig. Ein Transfer der Urteilsgründe auf andere Belastungen der Energiepreise sei nicht zwingend. Doch die Deutlichkeit in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dürfte auch dem letzten Verwaltungsmitarbeiter klar vor Augen führen, dass gerade Energiepreise nicht mit sachfrem-den Abgaben belastet werden dürfen, deren Verwendungszweck dem Allgemeinwohl dient. Wenn es gute umwelt-, sozial- und verkehrspolitische Gründe gibt, den öffentlichen Personen-nahverkehr (ÖPNV) zu subventionieren, dann muss das im zuständigen Parlament auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene erörtert und entschieden werden. Ob und in welchem Umfang der ÖPNV mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, ist auf Basis der verfüg-baren Steuereinnahmen im Rahmen des Haushaltes vom demokratisch gewählten Parlament festzu-legen. Die parlamentarisch gewollte Subvention des ÖPNV darf aber nicht in völlig intranspa-renter Weise über die Energie- und Trinkwasserpreise finanziert werden, sondern ist über Steuern aus dem allgemeinen Haushalt zu bezahlen.
Aus welchem Grund existiert im Abschnitt X des Grundgesetzes über das Finanzwesen der Artikel 106 a? Der Artikel 106 a ist 1993 im Zusammenhang mit der Privatisierung der dama-ligen Deutschen Bundesbahn in das Grundgesetz eingefügt worden. Der Artikel befasst sich mit dem Finanzausgleich für den Personennahverkehr und dem Wortlaut nach nicht nur mit dem Schienenpersonennahverkehr: „Den Ländern steht ab 1. Januar 1996 für den öffentlichen Personennahverkehr ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zu. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Betrag nach Satz 1 bleibt bei der Bemessung der Finanzkraft nach Artikel 107 Abs. 2 unberücksichtigt.“
3. Fazit
Der Rechtsanwalt Dr. Volker Gallandi fragt in Heft 4, 2008, der Zeitschrift für Rechtspolitik vom 23.5.2008, ob das Bundesministerium der Finanzen (BMF) inzwischen „ein Staat im Staate“ geworden sei, vgl. ZRP 2003, 387. Mit seinem nur anderthalb Seiten kurzen Beitrag begründet der Wirtschaftsstrafrechtler Gallandi gerade auch mit Bezug auf die Nichtanwen-dungserlasse, dass das Bundesministerium der Finanzen Rechtsbruch legalisiert und maskiert. Das BMF handelt laut Dr. Gallandi nach der Logik „Macht ersetzt Recht“. Das BMF habe sich selbst zum Machthaber ernannt und durch „legeren Umgang mit dem geltenden Recht“ schwere „wirtschaftliche Schäden in Multimilliardenhöhe“ verursacht, wobei Dr. Gallandi in seinem Beitrag vor allem die riesigen Spekulationsverluste der IKB-Bank und der Landes-banken vor Augen hat. Allein die von einem rechtswidrigen Nichtanwendungserlass gedeckte Quersubventionierung öffentlicher Aufgaben durch überhöhte Energiepreise verursacht milliardenschwere Schäden. Deshalb sind jetzt mehrere Institutionen aufgefordert, diesen fortgesetzten Verfassungsbruch unverzüglich zu beenden und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu handeln. 3.1 Aufgabe der städtischen Finanzverwaltung und der Steuerbehörden
Alle beteiligten Beamten in der städtischen Finanzverwaltung, in den Steuerbehörden und in der Kommunalaufsicht sind an ihren Diensteid zu erinnern, der sie verpflichtet, das Grundge-setz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden Gesetze zu wahren und ihre Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen. Diese Beamten haben das Recht und die Pflicht zur Beanstandung, der sogenannten Remonstration, falls sie gerade auch durch diese Information zu der Erkenntnis gelangen, die Quersubventionierung öffentlicher Aufga-ben durch überhöhte Energiepreise sei unrechtmäßig. Die Weisungen von Vorgesetzten mit blindem Gehorsam zu befolgen, hat in der jüngeren deutschen Geschichte schon mehrfach zu Katastrophen geführt. Der Unmut über die Energie-preise könnte in der Bevölkerung schon bald in rohe Gewalt auf der Straße umschlagen. Dafür wären die zuständigen Beamten mitverantwortlich, wenn sie jetzt nicht endlich handeln. 3.2 Aufgabe der Landtage
Die Abgeordneten der Landtage sind aufgefordert, über das jeweilige Landesministerium der Finanzen den Nichtanwendungserlass IV B 7 – S 2706/07/0011 sofort außer Kraft zu setzen. Außerdem sollten sich die Landtage im Bundesrat weigern, der geplanten Änderung des Körperschaftssteuergesetz im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 zuzustimmen. Denn die beabsichtigte Quersubventionierung öffentlicher Aufgaben durch überhöhte Energiepreise ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wie Abschnitt 2 belegt. 3.3 Aufgabe des Bundestages
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind aufgefordert, die in Abschnitt 1.3 doku-mentierte Änderung des Körperschaftssteuergesetzes abzulehnen. Zum einen entspricht die Begründung der Bundesregierung, dass mit der Gesetzesänderung „keine Rechtsänderung“ vorliege, nicht den Tatsachen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und des Bundes-verfassungsgerichtes belegt eindeutig eine andere Rechtslage, als es das Bundeskabinett glauben machen will. Ohne die Änderung des § 8 Abs. 7 Körperschaftssteuergesetz ist die Quersubventionierung selbst formal nicht zulässig. Vor dem Hintergrund des Verfassungs-gerichtsurteils zum Kohlepfennig ist die kommunale Querfinanzierung eindeutig verfassungs-widrig. Wenn der Bundestag dem Regierungsentwurf für das Jahressteuergesetz 2009 und damit der verfassungswidrigen Quersubventionierung zustimmt, dann würde nicht nur gegen die im Grundgesetz verankerte Finanzverfassung und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn Gemeinlasten dadurch zu finanzieren, Produkte der Daseinsvorsorge zu überhöhten Preisen zu verkaufen, ist zutiefst unsozial, weil diese Finanzierungsform einkommensschwächere Teile der Bevölkerung übermäßig belastet. Ein „Ja“ zur Änderung des Körperschaftssteuergesetzes ist ein „Ja“ zur Quersubventionierung und damit ein „Nein“ zur Sozialstaatlichkeit aus Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Gesetzentwurf kommt letztlich nur „Forderungen der Kommunen nach“, wie das Bundes-finanzministerium selbst begründet. Vor allem würde die Fortsetzung der Quersubventionierung nur dazu beitragen, die katastrophale Finanzlage der Kommunen weiter zu verschleiern. Wenn der Bundestag dem Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2009 zustimmt, dann käme er ebenso wenig wie die Bundesregierung der Verantwortung nach, für ein geordnetes Finanzwesen bei den hoch verschuldeten Kommunen zu sorgen, obwohl das die Artikel 104 a bis 115 des Grundgesetzes verlangen. 3.4 Aufgabe der Stadträte
Vom Stadtrat ist zu verlangen, für eine verfassungskonforme Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Schwimmbäder und der Kultureinrichtungen zu sorgen. Z. B. sollte sich der neue Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, Herr Georg Rosenthal, so schnell wie möglich mit den Grundlagen der Demokratie und speziell mit der Finanzhoheit des Stadtpar-laments vertraut machen. Am 23./24.5.2008 wurde an alle Haushalte im Versorgungsbereich der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) das neueste WVV-Magazin verteilt. In dem WVV-Magazin 2/2008, Seite 11, antwortet Herr Rosenthal auf die Frage "Wo liegen denn die Vorteile der WVV für Kommune und Bürger?" unter anderem: "Und selbst die Gewinne aus dem Energieverkauf kommen der Allgemeinheit wieder zugute: Sie fließen in Schulen und defizitäre Bereiche wie Schwimmbäder und Nahverkehr", siehe unter http://www.wvv.de/media/www.wvv.de/org/med_1982/10736_wvv_magazin_2_2008.pdf. Pi-kanterweise ist Herr Rosenthal zugleich als Aufsichtsratsvorsitzender der WVV verantwortlich für die verfassungswidrige Quersubventionierung. Seine Aussage spricht nicht gerade für ein verfassungskonformes und demokratisches Verständnis von haushaltsrechtlichen Zuständig-keiten und Verantwortlichkeiten. 3.5 Aufgabe der Staatsanwaltschaft
Die verfassungswidrige Quersubventionierung defizitärer öffentlicher Aufgaben durch über-höhte Energiepreise bedeutet zunächst eine strafbare Steuerhinterziehung des Kommunal-versorgers nach § 370 der Abgabenordnung. Außerdem ist die Quersubventionierung auch als verbotene Einlagenrückgewähr des Kommunalversorgers an ihren Allein- oder Mehrheits-gesellschafter, die Stadt, zu verstehen. Bei einer GmbH verträgt sich eine Einlagenrückgewähr im Sinne von § 30 GmbHG nicht mit den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäfts-mannes aus § 43 GmbHG. Im Falle einer Aktiengesellschaft bilden § 57 AktG und § 93 AktG die entsprechende Rechtsgrundlage. Die Vermögensnachteile des Kommunalunternehmens, die aus den Dauerverlusten im öffentlichen Personennahverkehr oder beim Betrieb von Schwimmbädern entstehen, sind deshalb auch als Untreue nach § 266 StGB als Straftat zu ahnden. Wirtschaftsstrafsachen sind bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Nach den negativen Erfah-rungen in Bayern und Niedersachsen muß leider die Öffentlichkeit genau beobachten, ob die Staatsanwälte die Straftaten mit der erforderlichen Sorgfalt und Sachkenntnis verfolgen oder ob sie das Recht beugen und Strafvereitelung im Amt begehen, um verantwortliche Politiker vor Strafverfolgung und vor zivilrechtlicher Haftung zu schützen. Denn Kommunalpolitiker sitzen oft im Aufsichtsrat der Stadtwerke, manchmal werden sie sogar am Ende ihrer politi-schen Karriere mit einem gut dotierten Geschäftsführerposten in dem Kommunalunternehmen versorgt.
Staatsanwälte sind übrigens nicht frei in ihrer Arbeit, sondern unterliegen den Weisungen des jeweiligen Landesjustizministers und damit der Politik. Über die Weisungsabhängigkeit in der Strafverfolgung berichtet ausführlich der frühere Augsburger Staatsanwalt Dr. Winfried Maier, der im Steuerstrafverfahren gegen den Waffenhändler Schreiber, den Ex-Staatssekretär Pfahls, den ehemaligen CDU-Schatzmeister Leisler-Kiep, den Kaufmann Max Strauß und andere ermittelte und 1999 den CDU-Spendenskandal auslöste. Die Abhängigkeiten in der Arbeit eines Staatsanwaltes sind dokumentiert in Dr. Maiers Artikel „Wie unabhängig sind Staatsanwälte in Deutschland?“ in der Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2003, Seite 387-391, siehe ZRP 2008, 128. Weitere Details zur Weisungsgebundenheit deutscher Staats-anwälte finden sich im Minderheitenbericht von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zum soge-nannten Schreiber-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag vom 18.7.2002 unter http://www.spd-landtag.de/downl/020718UAMinder.pdf. Quellen:
Wir danken dem Verlag C. H. Beck, München, für die Bereitstellung der Links zu den Quellen 6 und 7. |