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Euro Finance Week - Frankfurt am Main 16. November 2009
Finanzkrise zwischen Risikomanagement und Strafverfolgung


Dr. Wolfgang Hetzer
European Anti-Fraud Office (OLAF)
B-1049 Brussels, Rue Joseph II 30


Vorbemerkungen

(1) Meine dienstliche Hierarchie lebt in der ständigen Sorge, dass ich gele-gentlich eine eigene Meinung habe und sie auch äußere. Diese Sorge ist be-gründet. Ich weise deshalb darauf hin, dass ich hier nur persönliche Auffas-sungen vortrage. Die Europäische Kommission wird dadurch in keiner Weise verpflichtet.

(2) Am Ende eines derart langen, lehrreichen aber auch anstrengenden Ta-ges gebietet es der Respekt vor der Menschenwürde sich kurz und bündig zu fassen. Ich will meine Schlussfolgerungen deshalb an den Anfang stellen. Sie sind dann nach meiner ersten  Unterscheidung in wenigen Minuten er-löst. Ich nenne sie:
 
I.    Thesen oder Taten?

1. Die „Finanzkrise“ ist keine Krise, sondern das unvermeidliche und vorhersehbare Ergebnis einer systemischen Fehlentwicklung, an deren Beginn persönliches Versagen, professionelle Inkompetenz, politische Nachlässigkeit und kriminelle Energie stehen.

2. Die „Finanzkrise“ erinnert daran, dass jede Wirtschaft auf kultu-rellen und gesellschaftlichen Bedingungen beruht, die sie nicht selbst herstellen kann.

3. Die „Finanzkrise“ zeigt, dass sich Teile der Wirtschaft von kultu-rellen und gesellschaftlichen Bedingungen abgekoppelt haben und eigenen asozialen Gesetzmäßigkeiten folgen.

4. Die „Finanzkrise“ belegt, dass insbesondere die Finanzindustrie die Voraussetzungen ihres Erfolgs mit angeblich innovativen Pro-dukten auf  Kosten der Allgemeinheit selbst gestaltet hat

5. Die „Finanzkrise“ macht deutlich, dass die Möglichkeiten der So-zialisierung eigener Verluste zu einer Un-Kultur der Verantwor-tungslosigkeit geführt haben, in der das Verhältnis zwischen den eingegangenen Risiken, der notwendigen Haftung und der verfüg-baren Kapitaldeckung aus dem Lot geraten ist.

6. Die „Finanzkrise“ lässt keinen Zweifel daran, dass exzessive Ren-diteerwartungen und die Verabsolutierung des „shareholder va-lue“ zu einem Realitätsverlust geführt haben, der dringend not-wendige längerfristige unternehmerische Orientierungen  unmög-lich macht.

7. Die „Finanzkrise“ ist ein Beleg für die soziale Sprengkraft anthro-pologischer Konstanten wie Egoismus, Gier und Verantwortungs-losigkeit, die in ihrer kalkulierten Form zur Abdankung des Un-ternehmertyps geführt haben, der noch verstanden hat, dass Wirt-schaft nicht ausschließlich im Takt rücksichtslosen Vorteilsstre-bens funktionieren kann, sondern in existentieller Weise von der Integration in ein ethisches Rahmenwerk abhängt.

8. Die „Finanzkrise“ beweist, dass freiwillige Selbstverpflichtungen keine Gewähr gegen das fahrlässige und vorsätzliche Verhalten von Wirtschaftsführern bieten, deren Charakter und fachliches Unvermögen eine Tradition der Risikoübernahme begründet ha-ben, in der aus Ethik kein Ethos im Sinne praktischer Moral er-wachsen kann.

9. Die „Finanzkrise“ offenbart den Bankrott politischer Führungen, die ohne Kenntnis einschlägiger Gesetzmäßigkeiten den unhaltba-ren Versprechungen der Finanzindustrie aufgesessen sind und ihre Verpflichtungen zur Mehrung des Nutzens der jeweiligen Bevölke-rung  und zur Abwendung von Schäden nicht erfüllt haben.

10. Die „Finanzkrise“ demonstriert die Gefährlichkeit eines Vertrau-ens in Wirtschaftssubjekte, die das Leitbild des ehrbaren Kauf-mannes aufgegeben haben und der Logik der Mafia folgen; sie belegt auch die Notwendigkeit ordnungspolitischer Anstrengungen zur Lösung struktureller Probleme (z. B. Eigenkapitalausstattung und Aufsichtsführung) sowie die Erforderlichkeit gesetzgeberi-scher Maßnahmen zur Abwehr individueller und kollektiver An-griffe gegen das Gemeinwohl (z. B. Vergütungsregeln, zivilrechtli-che Haftungspflichten und strafrechtliche Sanktionen gegen na-türliche und juristische Personen).        
 
Ich bin zwar gerne bereit, mich -falls gewünscht- sofort einer Diskussion zu stellen. Sollten Sie doch über athletische Fähigkeiten verfügen, biete ich meine zweite Unterscheidung an. Ich nenne sie:

II.    Politiker oder Schauspieler?

Der amerikanische Schauspieler Clint Eastwood wird in letzter Zeit immer wieder wegen einer  klugen Bemerkung  zitiert. Sie lautet sinngemäß:

Wir sind in die gegenwärtige Lage gekommen, weil wir Geld ausgegeben ha-ben, das wir nicht hatten. Und jetzt versuchen wir aus der Krise herauszu-kommen, indem wir noch mehr Geld ausgeben, das wir aber auch nicht ha-ben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten darum bemüht, die Folgen der krisenhaften Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten zu bewältigen. Dabei ist ihr im Interesse des Gemeinwohls zwar jeder Erfolg zu wünschen. Es bleibt aber abzuwarten, wann sich die genaue Höhe der erforderlichen Nettokreditaufnahmen für den nächsten Bundeshaushalt oder für welchen (Schatten-)Haushalt auch immer nach-vollziehbar abzeichnet. Die Frage, wie viele Generationen mit der Abtra-gung der Schuldenlast beschäftigt sein werden und wer die Hauptlast dieses Schuldendienstes tragen wird, kann dann in der neuen Legislaturperiode sicher geklärt werden. Bei dieser Gelegenheit könnte man auch die Auswir-kungen der steigenden Staatsverschuldung auf das Wirtschaftswachstum und die Währungsstabilität durch eine Mehrheitsentscheidung des Deut-schen Bundestages bewältigen.

Bis dahin mag man sich mit quasi existenzphilosophischen Varianten der Selbsttröstung behelfen. Da wäre zum einen die Einsicht, dass Krisen wie Politiker sind: Sie kommen und gehen. Zum anderen ist es der Verdacht, dass wir nur die Krisen und die Politiker haben, die wir verdienen. Nicht nur die Prägung des Zeitgeistes durch eine Vielzahl neuerer Buchtitel mit endzeitlichem Anspruch („Kernschmelze“) dürfte den Wirkungsgrad sol-cher Beschwichtigungen begrenzen. Immerhin ist ein Wirtschaftsnobel-preisträger der Auffassung, dass wir inzwischen in einer „neuen Weltwirt-schaftskrise“ stecken. Anders als in den dreißiger Jahren des vorigen Jahr-hunderts bestehe heute keine Knappheit der Ressourcen oder gar der Tu-gend, sondern der Erkenntnis. Das werfe nicht nur für Deutschland, son-dern für ganz Europa ein Problem auf. Tatsächlich ist die Malaise eine weltweite. Sie kam zustande, weil man im großen Stil sowohl Kreditnehmer im Hypothekengeschäft als auch Geldanleger im Interbankengeschäft ge-wonnen hatte, die ihre Risiken weder verstanden haben noch mit eigenen Mitteln beherrschen konnten. Die Finanzkrise wiederholt insoweit nur eine Lehre, die außerhalb der Wirtschaftswissenschaften schon immer bekannt war. Jetzt scheint offenbar nur noch der Staat für die daraus erwachsenden Gefahren geradestehen zu können, und zwar durch den Rückgriff auf die Zwangszahlungen aller Steuerpflichtigen. Daran wird meine dritte Unter-scheidung nichts ändern. Ich nenne sie:

III.    Systemrisiken oder Straftaten?

Heutzutage glaubt man, dass es klüger und langfristig für den Steuerzahler billiger sei, die Banken beherzt zu sanieren. Es hat den Anschein, als ob damit die Frage einer strafrechtlichen Behandlung der Verantwortlichen schon erledigt ist. Die materiellrechtlichen Kategorien des Strafrechts und die verfahrensrechtlichen Bedingungen der Strafverfolgung haben sich ge-genüber Umbrüchen historischen Ausmaßes ohnehin als ungeeignet erwie-sen. Es bleibt aber diskussionswürdig, ob die endemisch ausgebrochene staatliche Hilfsbereitschaft gegenüber Bankrotteuren größten Kalibers nicht doch durch drastischere Reaktionen zu moderieren ist. Das wäre dann angebracht, wenn sich in der Wirtschaft kriminogene Verhältnisse entwickelt haben sollten, deren Auswirkungen in einem nie zuvor erlebten Ausmaß gemeinschädlich sind. Die globalen Finanzmärkte haben sich an-scheinend in Tatorte verwandelt, wo sich hochintelligente Individuen tum-meln, die mit überlegenem Fachwissen und krimineller Energie eine un-übersehbare Vielzahl von Menschen schädigen und die Vernichtung ganzer Unternehmen organisieren. Es ist nicht zu bestreiten, dass eine hoch tech-nologisierte und weltweit tätige Finanzindustrie strukturelle Risiken bis-lang ungekannten Ausmaßes mit sich gebracht hat. Sie können zwar jeder-zeit auch ohne kriminelle Trittbrettfahrer in enorme Schäden für eine un-übersehbare Vielzahl von Unbeteiligten umschlagen, also eine Vielzahl von Opfern produzieren. Aber auch wenn sich deshalb das Problem einer straf-rechtlich definierbaren Schuld zunächst nicht stellen sollte, bleibt doch zu prüfen, wer verantwortlich ist. Dabei stellt sich eine Reihe von Vorfragen:

  • Handelt es sich um den nicht steuerbaren Selbstvollzug von System-zwängen, um die Wahllosigkeit von Naturkatastrophen oder eben doch um menschliches Versagen, welches mindestens aus individuell-professionellem Ungenügen, aus charakterlichen Mängeln oder aus kollektiver Verblendung heraus entsteht?

  • Was wäre, wenn sich Personen und Kollektive als Akteure auf den Finanzmärkten dieser Welt verabredet hätten, um in krimineller Weise ihrem Bereicherungsstreben zu frönen und dabei ganze Wirt-schaftsysteme destabilisieren?

  • Ist eine internationale abgestimmte strafrechtlich orientierte Strate-gie der Risikominimierung erforderlich oder handelt es sich vor allem um eine ordnungspolitische Aufgabe?

  • Ist das Strafrecht auf derartige Herausforderungen überhaupt vor-bereitet?

  • Verfügt man international über ein Sanktionensystem, das Täter be-eindrucken kann, die sich in einer Kultur hedonistischer Asozialität mafiös verbunden haben?

  • Leben wir in einer Epoche, in der sich Organisierte Kriminalität als Wirtschaftsform etabliert hat und in der die Politik auf Hand- und Spanndienste für hochqualifizierte Verschwörer reduziert ist?


Meine vierte Unterscheidung wird die meisten Antworten schuldig bleiben. Ich nenne sie:

IV.    Schuld oder Schicksal?

Es ist nicht einfach, die zur Klärung erforderliche Expertise zu finden. Bei der Beantwortung der  Frage, ob er schon einmal über die eigene Schuld an der Entwicklung nachgedacht hat, welche die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat, war selbst ein in Deutschland tätiger lei-tender Bankangestellter nur begrenzt hilfreich. Er behauptet, dass es weni-ger auf das Verhalten des Einzelnen ankomme als darauf, die richtigen Re-geln zu haben. Josef Ackermann war also entweder nicht in der Lage, den Inhalt der ihm gestellten Frage zu erfassen oder er wollte sich einfach nicht mit seiner persönlichen Verantwortung öffentlich auseinandersetzen. Er gibt stattdessen in einem Interview im Oktober 2009 an, sich über die Ursa-chen der Finanzkrise und über deren Lehren für die Zukunft Gedanken gemacht zu haben. Dieser Ansatz inspiriert zur Umformulierung des be-rühmten Titels von Robert Musil „Mann ohne Eigenschaften“ in „Eigen-schaften ohne Mann“ und zu einer neuen Nachdenklichkeit über „Schuld und Sühne“.

Immerhin räumt Ackermann ein, dass er selbst einiges falsch eingeschätzt hat. Er sei davon ausgegangen, dass jeder Marktteilnehmer nur so viele Ri-siken übernimmt, wie er selbst verkraften kann und damit das System in sich selbst stabil ist. Er habe nicht gedacht, dass einzelne Banken zum Teil außerhalb der Bilanz Risiken in solchen Größenordnungen ansammeln. Die „kollektive“ Erkenntnis sei jedoch nicht tief genug gewesen.

Seine Rede handelt also nur über „Irrtümer“, nicht über individuelle Schuld, schon gar nicht die eigene. Vielmehr wird das havararierte System verteidigt. Angesichts der Dimension der globalen Finanzmärkte sei nur bei relativ wenigen Produkten die Substanz nicht gut gewesen. Diese Produkte hätten allerdings viele andere in Mitleidenschaft gezogen. Es sei schwierig, Blasen vorab zu erkennen. Für Ackermann gibt es kein Bankgeschäft ohne Risiko. Deshalb sei es gerade in Boomzeiten so wichtig, „Risikodisziplin“ bzw. „Risikomoral“ zu bewahren. Zwar hätten die Deutsche Bank und er selbst Fehler gemacht. Aber man habe schon sehr früh auf systemische Schwierigkeiten hingewiesen und eine systemische Lösung gefordert. Es ge-be jedoch keinen Grund kollektiv in Sack und Asche zu gehen, zumal die meisten Bankmitarbeiter, gerade in Deutschland, mit dem Entstehen der Finanzkrise nicht das Geringste zu tun gehabt hätten. Natürlich müssten die „Spielregeln“ in Teilbereichen geändert werden, um die Wiederholung einer solchen Krise zu vermeiden. Daraus folge aber nicht, dass verbriefte Produkte, Finanzinnovationen oder gar das Investmentbanking insgesamt verschwinden. Die Banken müssten künftig mehr Eigenkapital vorhalten und einen Teil der Verbriefungen in der eigenen Bilanz führen. Zudem sei es auch richtig, vermehrt Derivate über börsenähnliche Gebilde zu han-deln, um die gegenseitige Abhängigkeit von Banken untereinander zu redu-zieren. Ackermann betont gleichzeitig, dass die Banken zur am stärksten regulierten Branche der Wirtschaft gehörten. Nur in wenigen Teilberei-chen, vor allem in der US-Immobilienfinanzierung, gebe es zu wenige „Spielregeln“. Im Übrigen seien Appelle an die Moral des Einzelnen oder von Unternehmen in einer Wettbewerbsgesellschaft keine Lösung. Falsche Anreizsysteme hätten sicher ihren Anteil an den Ursachen der Krise. Aber andere Faktoren, wie globale Ungleichgewichte, eine zu lockere Geldpolitik in den USA oder die expansive Kreditvergabe, seien wesentlich wichtiger. Wir brauchten kein grundsätzlich anderes, aber ein besseres Finanzsystem. Als Folge der Krise will die Deutsche Bank nicht nur Boni an die längerfri-stige Wertentwicklung des Unternehmens koppeln, sondern auch ein „Ma-lussystem“ einführen. Im Übrigen bestehe kein Grund, vom Gewinnziel der Deutschen Bank (25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern) abzurücken.

Die zitierte Gedankenführung macht einen Diskurs über die Unterscheid-barkeit von Verantwortungsgefühl und Schuldbewusstsein sinnlos.

Inzwischen wendet man sich auch der Frage zu, welche Rolle Regierungen und Politiker bei der Entstehung, Verbreitung und Bewältigung von Risi-ken spielten, die unter dem eingängigen Begriff der „Finanzkrise“  verein-fachend zusammengefasst werden. Es gibt Bemühungen zur Relativierung der Vorstellung, dass auch Deutschland nur das Opfer einer Bande von ge-wissenlosen internationalen „Heuschrecken-Bankern“ geworden ist, die zu den Verursachern der Weltfinanzkrise gezählt werden. Ein Kritiker (Dill) behauptet sogar, dass die Verluste der deutschen Banken völlig hausge-macht und das Resultat eines strukturellen Misstrauen des „deutschen Be-amtenstaates“ gegen den eigenen Mittelstand seien. Fast alle Verantwortli-chen für die Milliardenverluste seien Funktionsträger der drei (teilweise ehemaligen) Regierungsparteien SPD, CDU und CSU. Man will prüfen, ob die Finanzkrise eine unvorhersehbare Naturkatastrophe war oder ob Be-amte und Wirtschaftsforscher systematisch Falschinformationen über das Wirtschafts- und Finanzsystem verbreitet haben und ob in jahrzehntelan-gem Zusammenspiel von Regierung und Finanzwelt ein System von Kor-ruption geschaffen wurde, das sich in dieser Krise bewährt hat und dem die Finanzkrise höchst gelegen kommt.

Wie auch immer: Aus den Ergebnissen von Strafverfahren gegen leitende Mitarbeiter der Westdeutschen Landesbank leitet man schon jetzt eine ge-wisse Logik der Rechtsprechung ab, nach der nicht zu erwarten sei, dass bei ihrer Anwendung auf die Finanzkrise je ein Politiker oder Bankvor-stand für eingetretene Verluste haften müsste.

Umso bemerkenswerter sind öffentliche Äußerungen, die der Bundesfi-nanzminister a. D. Peer Steinbrück nach den letzten Bundestagwahlen ge-tan hat, in denen seine als „Volkspartei“ auftretende politische Gruppie-rung ihr bisher schlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte erreicht hat. Seine Einsichten sind nicht wirklich überraschend. Steinbrück hat her-ausgefunden, dass die Kompetenzdefizite seiner Partei im Bereich Wirt-schaft und Finanzen von ausschlaggebender Bedeutung für den Wahlaus-gang waren. Solche Selbstbeschreibungen könnten dann hilfreich werden, wenn man sich der Frage widmen wollte, wer für den durch Gesetzgebung und Politik entstandenen und vorsätzlich oder fahrlässig verursachten Schaden zur Verantwortung zu ziehen ist. 

Engagierte Kritiker legen noch einen drauf. Man spricht im Hinblick auf die Finanzkrise und die Finanzpolitik von der vehementen Durchsetzung von „Raubzügen“, die nicht im Interesse öffentlicher Mandatsträger, son-dern nur im Eigeninteresse korrupter Politiker lägen. In diesem Zusam-menhang wird auch versucht, die Frage zu beantworten, wann eine Regie-rung korrupt ist. Versteht man unter Korruption eine ungesetzliche Ein-flussnahme auf wirtschaftlich relevante Entscheidungen, die Mitbewerber benachteiligt, so erscheine die deutsche Regierung mit Sicherheit nicht als korrupt. Keines ihrer Mitglieder und kein Angehöriger der Verwaltung habe es nötig, aufgrund persönlich empfangener Einzelzahlungen Vor-schriften oder Gesetze zu ändern, die selbst bereits eine völlig legale und uneingeschränkte Vorteilsannahme für die „Marktfreien“ und ihre Klientel sicherten. Es sei quasi oberste Staatspflicht, Gesetze wie die zur Finanz-marktstabilisierung oder zur privaten Altersvorsorge zu verabschieden, die einseitig bestimmte Branchen begünstigten, in denen Politiker ihr Brot fän-den, wenn ihnen ihr Abgeordnetengehalt zu mickrig erscheine oder sie eine Regierung turnusgemäß verlassen müssten. Einerseits wird deshalb mit un-verkennbarer Ironie behauptet, dass die deutsche Regierung  Korruption gar nicht nötig hätte. Andererseits wird ihr doch eine „systemische“ Kor-ruption angelastet.  Der Einstieg in die strukturierten Finanzierungen durch die deutschen Staatsbanken sei schon in der Amtszeit der „rot-grünen“ Bundesregierung 1998 – 2005 erfolgt.
Nach einigen spekulativen Erklärungsversuchen gelangt die zitierte Kritik zu dem äußerst drastischen Ergebnis, dass neben einem „Modernitätskom-plex“ der Zynismus dieser Regierung und ihrer Berater der zweite Haupt-grund dafür gewesen sei, dass sie wohl als die korrupteste Bundesregierung der Nachkriegszeit bezeichnet werden könne. 

Mit solchen polemischen Zuspitzungen hilft man der Diskussion über die Lösung der im Zuge der Finanzkrise evident gewordenen hochkomplexen ordnungspolitischen Fragen nicht. Sie liefern schon gar keine Ansatzpunkte für eine strafrechtliche Bewältigung der Folgen der anhaltenden Finanzkri-se. Das ist auch deshalb bedauerlich weil die entsprechenden ersten Versu-che, etwa die Ermittlungen gegen die Bayerische Landesbank und gegen die Verantwortlichen anderer Banken, zeigen, dass sich die Strafverfolgungs-behörden und die deutsche Justiz mit der Aufarbeitung dieser Krise sehr schwer tun. Nicht nur deshalb stelle ich meine fünfte Unterscheidung vor. Ich nenne sie:

V.    Ordnungspolitik oder Strafrecht?

Die komplizierten Geschäfte um mehrfach verpackte Kredit- und Kredit-versicherungspapiere haben nicht nur während der Jahrestagung des Bun-deskriminalamtes (BKA) im Jahre 2008 ein verzagtes Lamento in den Rei-hen der Strafverfolger hervorgerufen. Einschlägige Ausführungen des Prä-sidenten des BKA wurden als das „Protokoll einer Überforderung“ be-zeichnet. Natürlich muss man fragen, was Polizeibeamte leisten können, wenn selbst Banker, Aufsichtsräte, Rating-Agenturen und die Bankenauf-sicht nicht mehr durchblicken. Sie versinken bei ihren Ermittlungen oft ge-nug in einem Meer von Beweismaterial. Allein bei den aktuellen Verfahren im Zusammenhang mit der Kapitalmarktkrise stößt man nach Angaben des BKA-Präsidenten auf Datenmengen im zwei- bis dreistelligen Terabyte-Bereich. Die Herausforderungen beginnen damit aber erst. Polizisten und Justizjuristen sollen dann äußerst komplexe wirtschaftliche Sachverhalte angemessen bewerten und fachlich hochkompetenten Bankern und Börsen-spezialisten nachweisen, dass sie etwa im Sinne des Untreuetatbestandes vorsätzlich und pflichtwidrig gehandelt haben. Abgesehen von den fakti-schen und fachlichen Fragen ist deshalb auch zu klären, ob das Strafrecht in der mittlerweile entstandenen globalen Risikogesellschaft die hierzu not-wendigen Instrumente bereithält. Damit ist Zeit für meine sechste Unter-scheidung. Ich nenne sie:
VI.    Markt oder Mafia?

Eine Debatte über die Einsatzmöglichkeiten des Strafrechts wäre noch vor ihrem Beginn zu Ende, wenn nur ein Marktversagen vorläge. Damit würde man aber bestimmten Zusammenhängen nicht gerecht werden. Dazu zählt die Rolle der Ratingagenturen. Zur Orientierung über die hinter Verbrie-fungen stehenden komplexen Verträge und Vorgänge dienten deren ver-meintlich zuverlässige Klassifizierungen. Das Vertrauen in die Richtigkeit der jeweiligen Beurteilungen führte selbst Banken in den Abgrund. Sie hat-ten anscheinend trotz des manifesten Marktversagens nicht verstanden, welche Risiken sie mit gewissen Geschäften eingegangen waren. Umgekehrt behaupten Ratingagenturen, dass man sich bei der Konstruktion bestimm-ter Anleihen auf die Angaben der Banken zu Einzelkrediten verlassen habe. Damit haben sie letztlich selbst gestanden, einen Betrug begangen zu haben. Das „Gütesiegel“ der Agenturen war nur ein Abklatsch der Auskünfte von Instituten, die nichts anderes vorhatten, als ein von ihnen eingegangenes Kreditrisiko durch Verbriefung weiterzugeben. Das von ihnen veranlasste Rating war für die Verkehrsfähigkeit der Anleihen erforderlich. Der Markt vertraute darauf, dass die jeweiligen Einstufungen Ergebnis eines verlässli-chen Verfahrens waren. Das ist jedoch äußerst zweifelhaft. In der Literatur findet sich deshalb die Hoffnung, dass zumindest die US-Strafverfolgungsbehörden an dieser Stelle nachhaken mögen.

Auch wenn man in der mangelnden Überprüfung durch die Käufer ein fahrlässiges Verhalten sehen kann, ändert dies nichts an der Notwendigkeit, die Angaben auf dem Weg zum Rating darauf hin zu untersuchen, ob ge-täuscht wurde und wer  getäuscht hat. Es ist falsch, nur ein Marktversagen zu vermuten und zu meinen, das Ganze habe mit dem Strafrecht nichts zu tun. Vieles spricht dafür, dass das Vertrauen in Ratings missbraucht wur-de. Der Absturz einschlägiger Klassifizierungen im freien Fall verlangt auch deshalb nach Aufklärung, weil die Agenturen behauptet haben, Risi-koszenarien abzubilden. Selbstverständlich haben auch zahlreiche Pri-vatanleger komplexe Finanzprodukte erworben, deren Risiken sie nicht überblickten. Wo aber der Einzelne nicht mehr weiß, was er tut, ist das Einfallstor für betrügerische Handlungen aller Art eröffnet.

Die Chancen für das Strafrecht sind gleichwohl schlecht.
Die mit der Internationalisierung des Rechts der Kapitalgesellschaften ein-hergehenden Rechnungslegungsvorschriften haben insbesondere bei Un-ternehmenskäufen Bewertungsspielräume eröffnet, die zu irreführenden Gewinnausweisen führen. Damit wird dem Strafrecht das Schwert aus der Hand geschlagen. Was das Bilanzrecht zulässt, kann nicht strafbar sein. Eines kommt hinzu: Die Normenflut und die bis zur Unverständlichkeit reichende überkomplexe Formulierung einzelner Rechtsvorschriften ma-chen den Anwender in weiten Teilen des Kapitalmarktstrafrechts orientie-rungslos. Es gibt kaum aus sich heraus lesbare Straftatbestände. Stattdes-sen hat der Gesetzgeber eine Technik gewählt, bei der man vom Straftatbe-stand auf die Ge- und Verbote des entsprechenden Aufsichtsrechts verwie-sen wird. Diese Vorschriften führen etwa im Bereich des Rechts der Marktmanipulation oder des Insiderhandels zu weiteren Vorschriften.
Das Ergebnis ist ein Normengestrüpp, dessen Verfassungsmäßigkeit zwei-felhaft ist. Die „Entschuldigung“, dass man doch EG-Richtlinien habe um-setzen müssen, trägt nicht. Die Ausformung des Strafrechts ist nach wie vor Aufgabe der Mitgliedstaaten der EU. Auch der deutsche Gesetzgeber ist nicht gezwungen, Änderungen des Kapitalmarktrechts auf eine strafrecht-liche Verweisungskette durchschlagen zu lassen.

Insgesamt muss diese Lage nicht zuletzt deshalb Besorgnis auslösen, weil in jüngerer Zeit die Integrität der Finanzmärkte auch durch Strukturen der Organisierten Kriminalität bedroht wird. Die Bundesanstalt für Finanz-dienstleistungen (BaFin) hatte schon im Jahre 2007 ca. 750 Analysen zu möglichen Fällen von Insiderhandel und Marktmanipulation angefertigt, 103 neue Untersuchungen eingeleitet und in 42 Fällen gegen 113 Personen Strafanzeige erstattet. Zu den Kernaussagen der bereits erwähnten Tagung des BKA im Jahre 2008 gehörte die Forderung, dass der Kapitalmarktkri-minalität, die vornehmlich aus der zunehmenden Komplexität der Finanz-produkte in intransparenten Märkten resultiert, mit handhabbarem Recht begegnet werden muss. Zudem sollten Gesetzestexte vereinfacht und Ver-weisungen vermieden werden, statt zusätzliche Strafvorschriften zu schaf-fen. In diesem Zusammenhang wurde zwar die grundsätzliche Frage nach der erforderlichen und sinnvollen Eingriffsintensität staatlicher Sicher-heitsorgane in die Abläufe der freien Wirtschaft gestellt. Gleichzeitig sah man es aber als eine Pflicht des Staates an, auf intransparenten Märkten den Bürger vor riskanten Investitionen in komplexe Anlageprodukte durch gesetzliche Regulierung bei Anbietern und Plattformen sowie durch Auf-klärung zu schützen.

Es handelt sich leider nur um die amtsüblichen und  politisch inspirierten guten Hoffnungen. Sie werden sich in absehbarer Zeit nicht erfüllen. Es gibt noch nicht einmal eine verbindliche Definition des Kapitalmarktstraf-rechts. Im Gegensatz zum Vermögensstrafrecht handelt es sich nicht um einen feststehenden Begriff. Wir haben keine zusammenhängende und ab-schließende Kodifizierung in einem einzelnen Gesetz. Die Strafvorschriften sind über die Fläche verstreut. Dennoch hält man es für sinnvoll „Kapital-marktstrafrecht“ als Oberbegriff für einen strafrechtlichen Teilbereich an-zusehen. Insoweit geht es um die Summe der strafrechtlichen Normen, die unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zum Kapitalmarkt bzw. kapital-markttypischen Geschäften haben. Dazu gehören nicht nur die klassischen Vorschriften über Betrug und Untreue im allgemeinen Strafrecht, sondern auch die im HGB, AktG und GmbHG geregelten Vorschriften über Fal-schangaben und unrichtige Darstellung. Weitere zahlreiche einzelgesetzli-che Normen im BörsG und WpHG treten hinzu und bilden in der Summe mit diversen Tatbeständen im Ordnungswidrigkeitenrecht ein „Quer-schnittsrecht“.

Die Leistungskraft all dieser Normen wird schon durch den Umstand nega-tiv beeinflusst, dass der „Kapitalmarkt“ aus juristischer und wirtschafts-wissenschaftlicher Sicht zu den unpräzisesten und erklärungsbedürftigsten Begriffen der Fach- und Allgemeinsprache zählt. Erschwerend kommt hin-zu, dass sich im Bereich der Rechnungslegung derzeit ein tiefgreifender Wandel weg vom gläubigerschutzorientierten HGB zum kapitalmarktori-entierten System der IAS/IFRS-Rechnungslegungsvorschriften vollzieht. Es ist schwer abzuschätzen, wieweit dieser Wandel strafrechtlich nachvoll-ziehbar sein wird. Offensichtlich ist dagegen schon jetzt die kapital-marktrechtliche Zersplitterung. Sie erstreckt sich u. a. vom Wertpapier-handelsgesetz über das Börsengesetz, das Wertpapiererwerbs- und Über-nahmegesetz, das Verkaufsprospektgesetz, die Verkaufsprospektverord-nung, das Depotgesetz, das Kreditwesengesetz, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz bis hin zum Handelsgesetzbuch.
In den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften des Kapi-talmarkstrafrechtes wird sie spiegelbildlich reflektiert. Die Folgen der zahl-reichen EU-Richtlinien zur harmonisierten Durchsetzung der gemein-schaftsrechtlich geschützten Freiheit des Kapitalverkehrs treten hinzu. Dem Kapitalmarktstrafrecht wird dennoch eine wachsende praktische Be-deutung zugeschrieben. Das schließt man auch aus vermehrten Pressebe-richten über Ermittlungen wegen unerlaubten Insiderhandels, unzulässiger Kursmanipulation, Bilanzmanipulationen und Anlegerschädigungen son-stiger Art. Eine Ursache ist die dynamische Entwicklung des deutschen Ka-pitalmarktes in den letzten 15 Jahren, die zu einer erheblichen Ausweitung möglicher Anlageformen geführt hat. Zudem hat sich der Anlegerkreis für risikogeneigtere Investitionen am Kapitalmarkt erweitert. Die entspre-chenden Märkte haben eine gewaltige volkswirtschaftliche und gesell-schaftliche Bedeutung gewonnen, weil sich der Staat immer stärker aus der sozialen Daseinsvorsorge zurückzieht und sich die Bürger zunehmend auch unter Teilnahme am Kapitalmarktgeschehen abzusichern versuchen. Nicht zuletzt die Klagen und Anzeigen geschädigter Anleger machen deutlich, dass sich die strafrechtliche Relevanz informationeller Intransparenz je-denfalls verändert hat.

Das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 hat mit einer er-heblichen Verschärfung und Neuformulierung von Vorschriften zum Insi-der und Ad-hoc-Strafrecht sowie des Verbots der Marktmanipulation den strafrechtlich bislang größten Schritt vollzogen. Ob der deutsche Gesetzge-ber damit wirklich konsequent auf das Strafrecht setzt und damit einen durch die Europäische Rechtssetzung keineswegs zwingend vorgegebenen Sonderweg beschreitet, ist zweifelhaft. Gleichwohl wendet man sich in der Literatur gegen eine Ausweitung des deutschen Kapitalmarktstrafrechts, soweit dies unter Hinweis auf die Umsetzungspflicht europäischer Rechts-setzungsvorhaben legitimiert wird. Bei einer Fokussierung auf das Straf-recht bestehe die Gefahr, dass die Suche nach außerstrafrechtlichen Rege-lungsalternativen aus dem Blick gerate. Insgesamt ist der Befund also alles andere als ermutigend. Er führt immerhin zur siebten  und letzten Unter-scheidung. Ich nenne sie:

VII.    Resignation oder Revolution?

Die Frage, ob das Strafrecht in seiner gegenwärtigen Verfassung oder nach der Implementierung neuartiger Pönalisierungsstrategien geeignet ist, Risi-ken, wie sie in der anhaltenden Finanzkrise zu Tage getreten sind, präven-tiv und repressiv wirkungsvoll zu begegnen, bleibt offen. Skepsis ist ange-bracht. Die Kategorien des Strafrechts beruhen auf Rechtswidrigkeit, Schuld und individueller Zurechnung. Es ist „ultima ratio“ und lebt von Ableitungen aus anderen Rechtsgebieten. Strafrecht versagt, wenn es nicht um die Behandlung natürlicher Personen geht, sondern um die gemein-wohlverträgliche Moderierung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Sy-steme. Sollte jemals ein Überblick über die von Institutionen und Personen angerichteten Schäden möglich sein, wird es aber vielleicht doch noch eine Debatte über einen Funktionswandel des Strafrechts geben. An deren Ende sollte ein Sanktionsrepertoire stehen, das auch den Herausforderungen ei-ner „Systemkriminalität“ gerecht werden kann und nicht nur Kinderpor-nografen und Ladendiebe beeindruckt.

Mit der Finanzkrise haben sich Risiken verwirklicht, die seit geraumer Zeit evident waren. Das Ausmaß der eingetretenen Schäden mag überraschend gewesen sein, ihr Eintritt war nicht. Selbst in regulierten Zonen fand der Tanz auf dem Vulkan mit Wissen und Wollen der Verantwortlichen in Poli-tik und Wirtschaft statt.
Nationale Egoismen und menschliche Schwächen, unzureichende Gesetze und mangelhafte Aufsicht, systematisierte Selbstbegünstigung, und Kompe-tenzmängel, gesellschaftliche Lethargie und Verluderung des Gemeinsinns sowie strukturelle Fehlentscheidungen zählen neben vielen anderen zu den Faktoren, welche die größte Vermögensvernichtung der neueren Wirt-schaftsgeschichte initiiert und gefördert haben.

Vorrangig ist die Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung, in der es großen Banken und unverantwortlichen Individuen nicht mehr möglich ist, die globale Wirtschaft mit riskanten Finanzprodukten und Spekulationsge-schäften existenziell zu gefährden. Natürlich ist eine weltweit wettbewerbs-fähige Wirtschaft ohne Risiken nicht möglich. Handeln unter riskanten Be-dingungen wird immer notwendig sein. Es ist jedoch dafür zu sorgen, dass diejenigen, die wegen individueller oder kollektiver exzessiver Ambitionen Fehlkalkulationen angestellt, intransparente Verhältnisse ausgenutzt und sich gegen die Allgemeinheit verschworen haben zur Rechenschaft gezogen werden. Es genügt nicht, einzelne Arrangeure von Schneeballsystemen strafrechtlich zu belangen. 

Die Diskussion über „Mali“ könnte ein erster Schritt in die richtige Rich-tung sein. Versagen muss wieder sinnlich spürbare Folgen haben. Das geht bei dem heutzutage vorherrschenden Charakterbild nur über Vermögen-seinbußen. Die perverse Praxis von Belohnungen für Misserfolge muss ein Ende haben. Die Diskussionen in Pittsburgh im September 2009 haben zwar Chancen für Verbesserungen angedeutet. Eine globale Risikovorsor-gegesellschaft ist aber noch sehr weit entfernt. Wir alle müssen jetzt mit ih-rer Realisierung beginnen. Andernfalls braucht man über Risikomanage-ment nicht mehr zu reden und über Strafrecht schon gar nicht. Sollten wir uns nicht bewegen, werden früher oder später alle wirtschaftlichen, politi-schen und rechtlichen Unterscheidungen ohnehin in einer Kette von Flä-chenbränden verglühen. Und der Rest wird nicht Schweigen sein.


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